Alles neu

Das Ende der DDR. Die deutsche Einheit. Die Gründung von Mecklenburg-Vorpommern. Dazu Volkskammer-, Landtags- und Bundestagswahlen. 1990 war ein besonderes Jahr.

Januar 1990

Politik: Die Christlich-Soziale Union/Freie Demokratische Union (CSU/FDU) schließt sich zu einer neuen Partei zusammen. Und auch sonst ist vieles in Bewegung. Allein im Januar gibt es diese Nachrichten:

  • Die Sozialdemokratische Partei (SDP) benennt sich in SPD um.
  • Zwölf Oppositionsgruppen gründen die Deutsche Soziale Union (DSU).
  • Am „Runden Tisch“ einigen sich DDR-Ministerpräsident Hans Modrow und die Oppositionsparteien auf eine Allparteienregierung bis zu den Volkskammerwahlen.

Und das noch: Die DDR-Behörden bestätigen, was das Spiegel-Magazin zuvor berichtet hat: 1976 konnte eine Kernschmelze im Kernkraftwerk Lubmin nur knapp verhindert werden.

Februar 1990

Politik:

  • Zweite Umbenennung der SED/PDS nach dem Mauerfall. In Zukunft soll die Partei „Partei des Demokratischen Sozialismus“ heißen.
  • „Neues Forum“, „Demokratie Jetzt“ und „Initiative für Frieden und Menschenrechte“ schließen sich für die Volkskammerwahl zum „Bündnis 90“ zusammen.
  • Die Volkskammer verabschiedet das Gesetz für die Wahl am 18. März. Die Wahl der Abgeordneten soll in freier, allgemeiner, geheimer und direkter Wahl erfolgen. Für die Parteien besteht keine fünf-Prozent-Klausel.

Und das noch: Die beliebtesten Mädchennamen 1990 sind Julia, Lisa, Sabrina. Jungennamen: Alexander, Jan, Marcel.

März 1990

Wahlen: Bei der ersten freien Volkskammerwahl gewinnt die konservative „Allianz für Deutschland“ (CDU, DA und DSU) mit 48 Prozent der Stimmen. Die SPD wird mit 21,9 Prozent zweitstärkste Partei.

Helmut Kohl auf einer Kundgebung der „Allianz für Deutschland“ in Karl-Marx-Stadt. Foto: Bundesarchiv, Bild 183-1990-0301-031 / Kasper, Jan Peter / CC-BY-SA 3.0

Aufarbeitung: Bei Fünfeichen in der Nähe von Neubrandenburg wird ein Massengrab entdeckt. Es stammt aus der Zeit der sowjetischen Internierungslager nach dem Zweiten Weltkrieg.

Charts: Die Lieder des Jahres 1990: Sinead O’Connor – Nothing Compares 2 U. Matthias Reim – Verdammt ich lieb‘ dich. UB 40 – Kingston Town

April 1990

Politik: Lothar de Maizière wird zum ersten und zugleich letzten demokratisch gewählten Ministerpräsidenten der DDR gewählt.

Mauer: Bautrupps der Nationalen Volksarmee beginnen mit dem Abriss der Mauer vor dem Brandenburger Tor in Berlin.

Die Mauer wird abgerissen. Foto: Bundesarchiv, Bild 183-1990-0123-021 / Reiche, Hartmut / CC-BY-SA 3.0

Attentat: SPD-Kanzlerkandidat Oskar Lafontaine wird bei einer Wahlkampfveranstaltung in Köln durch einen Messerangriff lebensgefährlich verletzt.

Und das noch: Erstmals fliegen 86 DDR-Pauschalurlauber ins westliche Ausland – nach Mallorca. Die Reise wird von der DDR-Fluggesellschaft Interflug und einem westdeutschen Reisebüro organisiert.

Mai 1990

Einheit: In Bonn beginnt die erste Runde der Zwei-plus-Vier-Gespräche. Thema zwischen den Außenministern der beiden deutschen Staaten sowie der vier Siegermächte, Frankreich, Sowjetunion, Großbritannien und USA: die Bedingungen für die Wiedervereinigung.

Wahlen: Die CDU hat die ersten freien Kommunalwahlen in der DDR mit 34,4 Prozent der Stimmen gewonnen. Die SPD folgt mit 21,3 Prozent, die PDS holt 14,6 Prozent.

Fußball: Deutscher Meister wird Bayern München. Der Pokalsieger im Westen heißt 1. FC Kaiserslautern (3:2 gegen Werder Bremen). Meister im Osten wird Dresden. Auch im Pokalendspiel setzt sich Dynamo durch: 2:1 gegen den Überraschungsfinalisten PSV Schwerin.

Juni 1990

Wirtschaft: Die Volkskammer lässt die Privatisierung der Volkseigenen Betriebe und Kombinate zu. Der Umbau des Wirtschaftssystems soll von einer Treuhandanstalt organisiert werden.

Juli 1990

D-Mark: Mit dem Inkrafttreten der Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion der beiden deutschen Staaten löst die D-Mark die DDR-Mark als gesetzliches Zahlungsmittel ab.

1. Juli 1990: Anstehen für die D-Mark. Foto: Bundesarchiv, Bild 183-1990-0706-400 / Kasper, Jan Peter / CC-BY-SA 3.0

Einheit: In Gesprächen mit Bundeskanzler Helmut Kohl im Kaukasus akzeptiert Michail Gorbatschow die Mitgliedschaft des vereinigten Deutschlands in der NATO. Das wichtigste außenpolitische Hindernis für die deutsche Einheit ist damit beseitigt.

Fußball: Deutschland ist Weltmeister 1990. 1:0 im Finale gegen Argentinien. Der dritte Titel nach 1954 und 1974.

August 1990

Einheit: Die Volkskammer stimmt dem Beitritt zur BRD am 3. Oktober zu. Das Ergebnis im Detail: 294-mal Ja, 62-mal Nein, 2 Enthaltungen.

Einheit: Am 31. August wird der Einigungsvertrag zwischen der Bundesrepublik und der DDR unterzeichnet.

September 1990

Einheit: In Moskau wird der Zwei-plus-Vier-Vertrag unterzeichnet.

Parteien: Die Sozialdemokraten aus Ost und West sind vereint. Zum Stellvertreter von Hans-Jochen Vogel wird Wolfgang Thierse gewählt. Der Kanzlerkandidat heißt Oskar Lafontaine.

Und das noch: Aus für den Palast der Republik. Die Bezirkshygiene-Inspektion von Ost-Berlin veranlasst die Schließung des Parlamentsgebäudes wegen Asbestverseuchung.

Oktober 1990

Einheit: Am 3. Oktober um 00:00 Uhr ist es so weit: Zu den Klängen der Freiheitsglocke wird vor dem Reichstag in Berlin die Bundesflagge gehisst – Deutschland ist wiedervereint. Mehrere 100.000 Menschen besuchen in Berlin die offizielle Feier rund um das Brandenburger Tor.

Bundespräsident Richard von Weizsäcker beim Staatsakt zur Wiedervereinigung in der Berliner Philharmonie. Foto: Bundesarchiv, Bild 183-1990-1003-030 / Grimm, Peer / CC-BY-SA 3.0

Einheitsfeíer: In MV hat der Landesbevollmächtigte Martin Brick eingeladen. Der Festakt findet im Mecklenburgischen Staatstheater Schwerin statt. Am ehemaligen Grenzübergang Roggendorf-Mustin kommen 15.000 Menschen zusammen. Ihr Motto: Grenzenlos feiern.”

Neue Länder: Die Bezirke der DDR gehen in den wiedereingeführten Ländern Brandenburg, Freistaat Sachsen, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und Thüringen auf.

Bundestag: Der erste gesamtdeutsche Bundestag konstituiert sich im Berliner Reichstagsgebäude mit 663 Abgeordneten, davon sind 144 von der Volkskammer delegiert worden.

Bundesrat: Der Bundesrat wächst von 49 auf 68 Mitglieder. Die 19 neuen kommen aus der ehemaligen DDR, 3 davon aus MV.

CDU: Die Christdemokraten der beiden deutschen Staaten schließen sich in Hamburg zu einer Partei zusammen. 98,5 Prozent der Delegierten wählen Bundeskanzler Helmut Kohl zum Vorsitzenden, 97,4 Prozent den DDR-Ministerpräsidenten Lothar de Maizière zum einzigen Stellvertreter.

Wahlkampf: Helmut Kohl spricht vor 10.000 Menschen auf dem Alten Garten in Schwerin. Er sagt: „Karl Marx ist tot – Ludwig Erhard lebt.” Dafür gibt es Beifall, aber auch drei Eier und ein Apfel werden geworfen, berichtet die SVZ. Nach seiner Rede fliegt der Kanzler mit dem Helikopter weiter nach Rostock und Greifswald.

Landtagswahl: Am 14. Oktober 1990 wählen die Bürger in Mecklenburg-Vorpommern ihren ersten freien Landtag. Das Ergebnis: Die CDU wird mit 38,3 Prozent stärkste Partei, es folgen SPD (27,0 Prozent), Linke Liste/PDS (15,7 Prozent) und die FDP (5,5 Prozent). Wahlbeteiligung: 64,8 Prozent. Die Sitzverteilung im Landtag lautet: CDU 29, SPD 21, PDS 12, FDP 4 Sitze.

Landtagswahl: 33 Sitze für CDU, FDP, 33 Sitze für SPD, PDS. Eine Pattsituation, die der parteilose Wolfgang Schulz auflöst. Er ist kurz vor der Wahl aus der SPD ausgetreten, steht aber noch als Bewerber der SPD auf den Stimmzetteln – und gewinnt das Direktmandat im Wahlkreis Rostock II. Nach der Wahl tritt er in die CDU ein.

Landtagswahl: Am 27. Oktober wird Alfred Gomolka (CDU) zum ersten Ministerpräsidenten Mecklenburg-Vorpommerns im geeinten Deutschland gewählt – mit 36 zu 29 Stimmen und einer Enthaltung. In MV regiert eine schwarz-gelbe Koalition.

Attentat: Ein psychisch kranker Mann schießt während einer Wahlkampfveranstaltung in Oppenau auf Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble und verletzt ihn lebensgefährlich.

Und das noch: Die dänische Königin Margarethe II. verzichtet auf ihren Landsitz in Gelbensande nahe Rostock. Die Königin werde das Jagdschloss der Gemeinde zur Verfügung stellen, teilt der dänische Hof mit.

November 1990

Haftbefehl: Die Ost-Berliner Staatsanwaltschaft erlässt Haftbefehl gegen den früheren Staats- und Parteichef der DDR, Erich Honecker. Sie macht ihn für die Todesschüsse an der Mauer verantwortlich.

Dezember 1990

Bundestagswahlen: Die ersten gesamtdeutschen Bundestagswahlen bestätigen die christlich-liberale Regierungskoalition unter Kanzler Helmut Kohl in ihrem Amt. Die Union holt 43,8 Prozent, die FDP 11 Prozent. Die SPD unter Kanzlerkandidat Oskar Lafontaine kommt auf 33,5 Prozent. Wahlbeteiligung: 77,8 Prozent.

Wahlkreisergebnisse (Erststimmenmehrheiten) bei der Bundestagswahl 1990 nach Wahlkreisen. Grafik: Wikipedia

Bundestagswahlen in MV: Die Ergebnisse aus Mecklenburg-Vorpommern: CDU 41,2 Prozent, SPD 26,5 Prozent, PDS 14,3 Prozent, FDP 9,2 Prozent, Grüne 5,9 Prozent. Wahlbeteiligung: 70,9 Prozent.

Wort des Jahres 1990: die neuen Bundesländer